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Wie die Finanzierung eines Gemeindehauses die Mehrwertsteuer-Praxis änderte

Wie die Finanzierung eines Gemeindehauses die Mehrwertsteuer-Praxis änderte

Die Praxis der Vorsteuerkürzung wurde vom BGer als nichtig erklärt. Bild: Freepik.com

Auslöser der Veränderung einer langjährigen mehrwertsteuerlichen Praxis stellte eine gemeindeinterne Finanzierung eines Gemeindehauses durch Steuergelder dar. Dabei ging es um die entscheidende Frage, ob die Finanzierung als Subvention oder Einlage qualifiziert wird, denn beide haben bzgl. Vorsteuerabzug unterschiedliche Steuerfolgen. Dieser Artikel beleuchtet die relevanten Änderungen und zeigt, wie Gemeinwesen ihre bisherigen und zukünftigen Bauprojekte um die Mehrwertsteuer optimieren und Steuergelder einsparen können.

Eine Zürcher Gemeinde, Dienststelle Liegenschaftsverwaltung, entschloss sich beim Bau eines neuen Gemeindehauses zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs auf den Investitionen, die zukünftige Vermietung freiwillig i.S.v. Art. 22 MWSTG (Mehrwertsteuergesetz) der Mehrwertsteuer zu unterstellen (sog. Optieren). Anlässlich einer MWST-Kontrolle durch die Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) kam diese zum Schluss, dass einer nicht spezialfinanzierten Dienststelle kein Anspruch auf Vorsteuerabzug auf Investitionen zustehe, da die Finanzierung nicht aus steuerbaren Zweckgebühren, sondern aus Steuergeldern erfolge. Vorliegend erhalte die Dienststelle Liegenschaftsverwaltung die steuerfinanzierten Investitionsmittel von der Finanzabteilung ihres Muttergemeinwesens und daher seien diese als Subvention bzw. andere öffentlich-rechtliche Beiträge zu qualifizieren, welche einen Anspruch auf Vorsteuerabzug ausschliessen würden.

Wie die Gerichte entschieden

Gegen diese Auffassung erhob die betroffene Gemeinde am 1. Juni 2018 Einsprache und stellte einen Verfahrensantrag auf Überweisung an das Bundesverwaltungsgericht (BVGer). Das BVGer kam zum Schluss, dass es sich bei den vom Muttergemeinwesen zur Verfügung gestellten Finanzierungsmitteln entgegen der Auffassung der ESTV um eine Einlage in ein Unternehmen handle, welche keine Kürzung des Vorsteuerabzugs nach sich ziehe. Der Dienststelle Liegenschaftsverwaltung stehe insofern im Hinblick auf die Investitionen im Zusammenhang mit dem neu errichteten Gemeindehaus der Vorsteuerabzug im Rahmen der steuerbaren Verwendung zu. Die Art der Finanzierung mittels Steuergeldern führe zu keiner Vorsteuerkürzung. Das BGer hat mit Entscheid vom 22.11.2022 den Entscheid des BVGer dahin gehend bestätigt, dass die Finanzierung mittels Steuermitteln innerhalb des Gemeinwesens keine Subvention darstelle und somit keine Vorsteuerkürzung nach sich ziehe. Die diesbezügliche Praxis der ESTV wurde als nichtig und nicht gesetzeskonform erklärt.

Im jüngsten Entscheid des BGer vom 3.4.2023 zu diesem Thema hat dieses den BGer-Entscheid betreffend die Zürcher Gemeinde zum Leitentscheid erklärt. Das BGer bestätigte, dass eine gemeindeinterne Finanzierung nicht als Subvention qualifiziere und keine Vorsteuerkürzungen nach sich ziehe. Dies solle auch für Dienststellen mit Spezialfinanzierung gelten.

Bedeutung für die Gemeinwesen

Auch wenn die Praxisanpassung der ESTV zu diesem Thema noch nicht publiziert ist, lassen die letzten Entscheide des BGer der ESTV wenig Spielraum bei ihrer Umsetzung. Gemeindeinterne Finanzierungen von Bauprojekten sollten daher generell nicht zu einer Vorsteuerabzugskürzung führen, unabhängig davon, ob innerhalb einer spezialfinanzierten oder nichtspezialfinanzierten Dienststelle gebaut wird. Dies kann bei Gemeinwesen für bisherige und zukünftige Bauprojekte zu erheblichen Einsparungen im Bereich der Mehrwertsteuer und schliesslich von Steuergeldern führen.

Handlungsbedarf für Gemeinwesen

Gemeinwesen wird daher empfohlen, die mehrwertsteuerliche Behandlung ihrer Bauprojekte der letzten 5 Jahre (Verjährungsfrist) zu überprüfen. Ausserdem ist der mehrwertsteuerlichen Planung im Hinblick auf zukünftige Bauprojekte besonderes Augenmerk zu schenken. Aufgrund der ergangenen Urteile besteht in diesem Bereich erhebliches Optimierungspotenzial. So ist beispielsweise gemäss Rechtsprechung der Vorsteuerabzug auf den Investitionen für ein nach effektiver Methode abrechnendes und ausschliesslich steuerbar genutztes Schwimmbad vollumfänglich möglich, selbst wenn das Schwimmbad interne Kostenausgleichszahlungen bzw. Defizitdeckungen von der Gemeinde erhält, in der es als Dienststelle geführt wird. Dasselbe gilt z.B. für steuerbar genutzte Parkhäuser oder sonstige Liegenschaften, welche mit Gemeindegeldern finanziert werden.

Die Mehrwertsteuer-Themen gehen nicht aus

Darüber hinaus gehen die Mehrwertsteuer-Themen für Gemeinwesen nicht aus. Beispiel: die Überprüfung der Steuerpflicht einzelner Dienststellen aufgrund der Erhöhung der Umsatzschwelle per 1.1.2023 für die Steuerpflicht von Spitälern, Alters- und Pflegeheimen, Sozialdiensten, Kinder- und Jugendheimen, Schulen, Museen und Theater, die Teil eines Gemeinwesens sind, auf 250000 Franken. Erwähnt sei auch die Bezugsteuerpflicht bei pauschalbesteuerten Dienststellen sowie die mehrwertsteuerliche Behandlung von Parkplätzen.

AUTOREN

Roman Fallet
Partner, Steuer- und Rechtsberatung
Pricewaterhouse
Coopers AG, St. Gallen


Christine Conradt
Senior Manager, Steuer- und Rechtsberatung
Pricewaterhouse
Coopers AG, St. Gallen